Archiv für März 2007

»Wir rechnen im Wahlkampf nicht mit der Räumung«

Dienstag, 27. März 2007


Alexandre Archenoult, Foto: Kamil Majchrzak

Paris: Kulturinitiativen und Mietergruppen machen mit Besetzungen auf Wohnungsnot aufmerksam.

Das Gespräch führten Emmanuelle Piriot und Kamil Majchrzak.

Eine Kurzversion ist gleichzeitig erschienen in Junge Welt vom 28.03.2007, S. 8

Alexandre Archenoult ist Aktivist der französischen Initiative Macaq (Bewegung für die kulturelle und künstlerische Belebung der Bezirke, macaq.org), die leerstehende Häuser besetzt, um alternativen Wohnraum zu schaffen.

Veranstaltungs-Hinweis: Das JournalistInnenkollektiv »Krise und Kritik« organisiert am 18. Mai um 19:00 Uhr im Bethanien eine Diskussions-Veranstaltung mit Aktivisten von Macaq und »Jeudi Noir« (Infos siehe unten).

Macaq besetzt derzeit mehrer Häuser in Paris. Welche Ziele verfolgt ihr mit Euren Aktionen?

Bis 2001 befand sich in diesem Gebäude ein sog. Start-Up Unternehmen, das zusammen mit dem Platzen der Seifenblase der New Economy gescheitert ist. Wir haben dieses Gebäude dann 6 Monate lang besetzt. Nach der Räumung bezogen wir andere Gebäude um unsere sozialen und kulturellen Aktivitäten weiter zu führen. Wir sind nach dem Prinzip eines sozialen Animationszentrums organisiert, nur wesentlich alternativer. Die Aktivitäten finden auf Grundlage des freien Austausches statt. Das heißt, die BewohnerInnen organisieren Seminare, Nachhilfeunterricht, etc. Diese sind kostenlos bzw. für einen symbolischen Beitrag für alle offen.
Inzwischen hat die Stadtverwaltung die Gebäude im XVII Bezirk erworben. Da wir aber gezeigt haben, dass wir in der Lage sind ein Zentrum selbst zu verwalten, hatte die Gemeinde eine Zwischennutzung akzeptiert. Nach einer Sanierung will die Stadt das Gebäude selbst verwalten.

Worin besteht der von Dir erwähnte Austausch?

Die BewohnerInnen, die KünstlerInnen, Theaterleute, ZeichnerInnen u. a. brauchen Räume für ihre Projekte. Es ist nicht einfach einen Raum in Paris zu mieten. Man muss dabei mit mindestens 35,- EUR pro Stunde rechnen. Wir bieten diese Räume unentgeltlich an, erwarten dafür aber Unterstützung bei der Verwaltung des Gebäudes und der Organisation von Veranstaltungen. Dadurch können wir dieses Zentrum mit sehr wenig Geld gemeinsam verwalten.

(mehr …)

Vive la Commune! 136. Jahrestag der Pariser Kommune

Sonntag, 18. März 2007


Jacques Tardi, geboren 1946, gehört zu den meist geschätzten Comic-Autoren Frankreichs. Bekannt wurde er als Zeichner zahlreicher Krimi-Geschichten wie „Adeles ungewöhnliche Abenteuer“ und Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg. Im vergangenen Jahr erhielt -im Rahmen des 12. Internationalen Comic-Salons Erlangen, dem wichtigsten Comic-Preis in Deutschland- einen Sonderpreis für sein herausragendes Lebenswerk. In den letzten Jahren wandte er sich intensiv der Pariser Kommune zu. Zum 136. Jahrestag des Ausbruchs der Kommune wurde in Paris eine Ausstellung zu seinem Vierbändiges Werk „Die Macht des Volkes“ nach einem Roman von Jean Vautrin eröffnet.

Das Gespräch führten Emmanuelle Piriot und Kamil Majchrzak

Sie haben mehrere Jahre einer Serie über die Pariser Kommune „Die Macht des Volkes“ gewidmet. Woher kommt das Interesse an diesem Thema?

Diese vier Jahre meiner Arbeit reihen sich ein in eine rückblickende Auseinadersetzung mit der Geschichte. Mein Interesse galt zunächst dem Zweiten Weltkrieg, da mein Vater damals in Kriegsgefangenschaft geraten ist. Dann ging ich weiter zurück und setzte mich mit dem Ersten Weltkrieg auseinander, an dem auch mein Großvater teilnahm. Letzteres habe ich bereits zeichnerisch umgesetzt. Wie sie wissen hatten 1914 französische Soldaten den Auftrag Elsass und Lothringen von den Deutschen zu befreien. Wenn man die Gründe dafür untersucht und weiter rückblickt, stößt man unweigerlich auf die Niederlage von 1870 und das Ende des Imperiums Napoleons III. Das wichtigste Ereignis direkt danach ist meiner Meinung nach die Pariser Kommune. In einer Stadt die während des Preußisch-Französischen Krieges nicht besetzt war, kam es zu einer Erhebung. Es ist schon bemerkenswert, dass die Pariser Wehrmauern von Louis Adolphe Thiers, dem Chef der Exekutivgewalt in Auftrag gegeben wurden. Später hat eben dieser die Pariser Kommune mit Versailler Truppen und der Unterstützung des preußischen Kanzlers Otto von Bismarck niedergeschlagen. Mich interessierte also was während dieser zweieinhalb Monate der Kommune in der Stadt passiert ist.

(mehr …)

Hungerstreik gegen rassistische Sonderbehandlung in Frankfurt (Oder)

Montag, 05. März 2007

Ben, ein Streikender Flüchtling ist verbittert über die Situation, Foto: Alexander Rossbach

Ben, ein Streikender Flüchtling ist verbittert über die Situation,
Foto: Alexander Roßbach
von Kamil Majchrzak

Anfang Februar blockierten mehr als 20 Flüchtlinge das Einfahrtstor zum Asylheims in Frankfurt (Oder). Sie lehnten es kollektiv ab für den aktuellen Monat Bezugscheine abzuholen und traten in den Hungerstreik. Damit protestieren sie gegen den Gutscheinzwang und die intransparente Politik des Sozialamtes bei der Vergabe sog. Kontoblätter. In der Kleiststadt an der Oder dürfen MigrantInnen die Gutscheine nur in einer Frankfurter REAL-Filiale umtauschen. „Wir fühlen uns dabei wie Kriminelle, es ist erniedrigend und führt immer wieder zu Irritationen an der Kasse“ erzählt verbittert Ben aus Sierra Leone, der sich am Streik beteiligt.

(mehr …)