Ein Licht ist aufgegangen
Mittwoch, 23. Mai 2007Die polnische Regierung stellte im Zuge ihrer antikommunistischen Neuformierung 700 000 Menschen unter Stasiverdacht. Das Verfassungsgericht hat Teile des Gesetzes gestoppt.
von Kamil Majchrzak
gleichtzeitig erschienen in Jungle World # 21 vom 23.05.2007
In Polen wurden seit der Machtübernahme durch die Kaczynski-Zwillinge neue Instrumente entdeckt, um jegliche Sozialkritik auszuschalten und die politische Gleichschaltung im öffentlichen Raumes voranzutreiben. Das Ende vergangenen Jahres verabschiedete so genannte Lustrationsgesetz etwa verpflichtet alle Anwälte, Journalisten, Lehrer, Post- Bank- und Versicherungsangestellten, offen zu legen, ob sie zwischen dem 22. Juli 1944 und dem 31. Juli 1990 mit polnischen Staatssicherheitsorganen zusammengearbeitet haben.
Am 11.Mai nun erklärte das Verfassungsgericht, dass zahlreiche Bestimmungen zur Lustration (Durchleuchtung), insbesondere die flächendeckende Überprüfung von Journalisten und Lehrern, verfassungswidrig seien. Die Veröffentlichung der Listen inoffizieller Mitarbeiter der kommunistischen Geheimpolizei im Internet wurde untersagt.
Das Lustrationsgesetz, das am 15. März in Kraft getreten ist, stellt 700 000 Polinnen und Polen, die vor dem 1. August 1972 geboren wurden, unter Generalverdacht. Bis zum 15. Mai hätten sie in einer »Lustrationserklärung« ihre eventuelle Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst offen legen müssen. Doch nur ein kleiner Teil der Betroffenen ist dem nachgekommen. Für großes Aufsehen sorgte die Weigerung des ehemaligen Außenministers und derzeitigen EU-Parlamentariers Bronis?aw Geremek, die Erklärung zur Spitzeltätigkeit abzugeben. Auch die polnische Redaktion der Monatszeitung Le Monde Diplomatique verweigerte die Kooperation. Wer nicht mitarbeitet – wie etwa Angestellte des öffentlichen Rundfunks –, dem droht ein zehnjähriges Berufsverbot.