60 Jahre NATO: Zukunftssicherung durch Krieg, Geheimdienste und Folter
Dienstag, 15. September 2009von Kamil Majchrzak
gleichzeitig erschienen in Forum Recht 03/2009
60 Jahre NATO sind auch 60 Jahre nicht vorhandener Öffentlichkeit über fundamentale Fragen der Sicherheit, die Entwicklung militärisch-geheimdienstlicher Kooperationen, die „Legalisierung“ von Folter, sowie die Schaffung von Geheimarmeen zur Bekämpfung der eigenen Bevölkerung einhergehend mit einer partiellen Aufhebung des Rechtsstaates.
Obwohl eine zivil-militärische Zusammenarbeit der Geheimdienste und der Streitkräfte aus verfassungsrechtlicher Sicht äußerst fragwürdig erscheint konzentriert sich die öffentliche Diskussion über die Gefahren für Demokratie und Frieden vor allem auf die vermeintliche Existenz von Terror-Gruppen. Gefahren für die Demokratie, die durch Abschaffung von rechtstaatlichen Verfahren und fehlende Kontrolle über die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Militär entstehen, werden bislang kaum diskutiert. Diese „fehlende Aufsicht sowie die mangelnde politische und rechtliche Verantwortung der Geheimdienste“ erleichtert die Durchführung illegaler Aktivitäten durch Geheimdienste und Militär.
Sowohl Rechtswissenschaftler_innen als auch Menschenrechtsaktivist_innen haben es aber bislang versäumt, diesem brisanten Thema gebührende Beachtung zu schenken, obwohl die im Rahmen des sog. Kampfes gegen den Terrorismus bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen immer auch in Zusammenhang mit der Tätigkeit von zivilen und militärischen Geheimdiensten verübt worden sind. Umso wichtiger ist es die vergangenen 60 Jahre der NATO aus einem kritischen Blickwinkel zu beleuchten.
Geheimarmeen der NATO
Der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti machte Anfang der 1990er Jahre die Existenz einer geheimen Armee in Italien öffentlich, die in ein NATO-Netzwerk integriert war. In diesem Zusammenhang wurde auch der Bericht des italienischen Militärgeheimdienstes Servizio di Informazioni delle Forze Armate (SIFAR) vom 1. Juni 1959 unter dem Titel „The special forces of SIFAR and Operation Gladio” bekannt. Der italienische Ableger dieser geheimen Parallelstruktur der NATO unter dem Namen „Gladio“ wurde anschließend vom italienischen Senat untersucht. Eine Untersuchung des italienischen Senates bestätigte unter anderem die Informationen die der Rechtextremist Vincenzo Vinciguerra bereits während seines Strafverfahrens im Jahre 1984 gegeben hatte. Er hatte damals ausgesagt, dass in den 1960er und 1970er Jahren die Geheimarmee „Gladio“ im Zuge der Bekämpfung linker Gruppen auch Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung verübt habe.