Archiv für April 2015
Reaktionäre Reeducation
Donnerstag, 16. April 2015Für Gott, Ehre und Vaterland: Polens Antifa betreibt nationale Heldenverehrung.
Von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in Konkret #4/2015
In den vergangenen 20 Jahren hat die Debatte um Antisemitismus und Ignoranz gegenüber der jüdischen Verfolgungsgeschichte innerhalb der deutschen Linken eine wichtige Rolle gespielt. Obwohl sie mit zum Teil kruden Argumenten geführt wurde, hat sie das fällige Überdenken der eigenen vermeintlich selbstverständlichen geschichtspolitischen Position sehr befördert. Welche Verheerungen dagegen im eigenen politischen Bewusstsein das Unterlassen einer solchen Reflexion anrichtet, zeigt das Beispiel der Antifa Polens.
Der Großteil der jüngeren polnischen Generation wurde in der Zeit des Siegeszugs der Totalitarismusdoktrin politisiert, die als Staatsideologie vorgibt, Geschichtliches zu beschreiben. Seit 1989 dient sie in Polen zur Rechtfertigung der gegenwärtigen Verhältnisse und Verschleierung der Verstrickung der polnischen Gesellschaft in den Völkermord an den europäischen Juden. Die zur gleichen Zeit auflebende Heldenverehrung des sogenannten Untergrunds vernebelt die Kontinuität antisemitischer Zustände. Dabei wäre eine starke antifaschistische Kraft angesichts der Hegemonie der extremen Rechten in Osteuropa notwendiger denn je.