07. August 2010

Ermordung von Bauern durch deutsche Besatzungtruppen in Polen
von Kamil Majchrzak
gleichzteitig erschienen in Ossietzky # 14/15 (2010). Erweiterte juristische Analyse im Informationsbrief des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) # 104 (2010)
Es geschah am frühen Morgen. Gendarmerie, SS und die ukrainische SS aus Galizien umstellten Szczeczyn, ein kleines ostpolnisches Dorf, das sich an einem von Holzwagen zerfurchten Sandweg entlang zog. Als einige Dorfbewohner an jenem 2. Februar 1944 gerade zur Lichtfeier in die Kirche aufgebrochen waren, wurden andere durch Schüsse, Schreie und Gewehrkolben aus ihren Häusern getrieben. Männer wurden sofort erschossen. Frauen und Kinder auf dem zentralen Dorfplatz zusammengetrieben. Die traditionelle Kerzen-Prozession verwandelte sich in eine Feuersbrunst. Winicjusz Natoniewski, einer der Überlebenden, gehört zu der großen Zahl von Menschen in den damals von deutschen Truppen besetzten Gebieten, die als zivile Opfer des Krieges nie Wiedergutmachungsleistungen aus Deutschland bekommen haben. Er fordert nun von der BRD als Rechtnachfolger des Nazi-Reiches ein Schmerzensgeld in Höhe von umgerechnet 250.000 Euro.
Der damals fünfjährige Winek versteckte sich während des Überfalls mit seinem Großvater in einer Erdhöhle. Seine Schwester wurde mit der Mutter auf den mit Leichen übersäten Weg zum Dorfplatz getrieben. Als die Flammen immer näher kamen, schlich sich der Großvater heraus, um zu prüfen, ob die Deutschen abgezogen waren. Der verängstigte Winek hielt es dann auch nicht mehr in dem Versteck aus. Er rannte an dem brennenden Haus seiner Familie entlang und fing Feuer. An Gesicht und Körper erlitt er schwere Brandwunden, die Finger schmolzen zu dicken Knollen zusammen. Zeugen berichteten, wie schrecklich es war, als sich die Haut vom Kopf des Jungen löste.
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15. Oktober 2009
Polen Mit der Krise meldet sich die Arbeiterklasse zurück – sie tut es mit Streiks und motiviert sich über das Internet
von Kamil Majchrzak
gleichzeitig erschienen in Freitag vom 18.10.2009, S. 8
Als im September das Warschauer Statistikamt (GUS) die verbindlichen Wirtschaftsdaten für das Jahr 2008 vorstellt, kann die Regierung von Donald Tusk aufatmen. Bei einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von fünf Prozent lässt Polen die „baltischen Tiger-Staaten“ klar hinter sich. 2009 freilich ist die Realität vollends auf Krise eingestellt. Im Frühjahr muss die Szczecin-Werft schließen, das Chemie-Werk in Police die Produktion einfrieren, während der Konkurs des Schiffsbaus in Gdynia und die Rumpfexistenz der Werft in Gdańsk einen Dominoeffekt auslösen – davon betroffen ist besonders der Motorenhersteller Cegielski in Poznań.
Es spricht Bände, dass die ehemalige Lenin-Werft als Wiege der Solidarność nur aus politischen Gründen erhalten wird. Um einen Eklat zu vermeiden, musste die Feier zum 20. Jahrestag der ersten freien Wahlen vom 4. Juni 1989 aus der Arbeiterstadt Gdańsk auf die Königsburg Wawel in Krakau verlegt werden.
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15. September 2009
von Kamil Majchrzak
gleichzeitig erschienen in Forum Recht 03/2009
60 Jahre NATO sind auch 60 Jahre nicht vorhandener Öffentlichkeit über fundamentale Fragen der Sicherheit, die Entwicklung militärisch-geheimdienstlicher Kooperationen, die „Legalisierung“ von Folter, sowie die Schaffung von Geheimarmeen zur Bekämpfung der eigenen Bevölkerung einhergehend mit einer partiellen Aufhebung des Rechtsstaates.
Obwohl eine zivil-militärische Zusammenarbeit der Geheimdienste und der Streitkräfte aus verfassungsrechtlicher Sicht äußerst fragwürdig erscheint konzentriert sich die öffentliche Diskussion über die Gefahren für Demokratie und Frieden vor allem auf die vermeintliche Existenz von Terror-Gruppen. Gefahren für die Demokratie, die durch Abschaffung von rechtstaatlichen Verfahren und fehlende Kontrolle über die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Militär entstehen, werden bislang kaum diskutiert. Diese „fehlende Aufsicht sowie die mangelnde politische und rechtliche Verantwortung der Geheimdienste“ erleichtert die Durchführung illegaler Aktivitäten durch Geheimdienste und Militär.
Sowohl Rechtswissenschaftler_innen als auch Menschenrechtsaktivist_innen haben es aber bislang versäumt, diesem brisanten Thema gebührende Beachtung zu schenken, obwohl die im Rahmen des sog. Kampfes gegen den Terrorismus bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen immer auch in Zusammenhang mit der Tätigkeit von zivilen und militärischen Geheimdiensten verübt worden sind. Umso wichtiger ist es die vergangenen 60 Jahre der NATO aus einem kritischen Blickwinkel zu beleuchten.
Geheimarmeen der NATO
Der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti machte Anfang der 1990er Jahre die Existenz einer geheimen Armee in Italien öffentlich, die in ein NATO-Netzwerk integriert war. In diesem Zusammenhang wurde auch der Bericht des italienischen Militärgeheimdienstes Servizio di Informazioni delle Forze Armate (SIFAR) vom 1. Juni 1959 unter dem Titel „The special forces of SIFAR and Operation Gladio” bekannt. Der italienische Ableger dieser geheimen Parallelstruktur der NATO unter dem Namen „Gladio“ wurde anschließend vom italienischen Senat untersucht. Eine Untersuchung des italienischen Senates bestätigte unter anderem die Informationen die der Rechtextremist Vincenzo Vinciguerra bereits während seines Strafverfahrens im Jahre 1984 gegeben hatte. Er hatte damals ausgesagt, dass in den 1960er und 1970er Jahren die Geheimarmee „Gladio“ im Zuge der Bekämpfung linker Gruppen auch Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung verübt habe.
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17. Juni 2009
Interview mit Jean-Marc Rouillan (Mitgründer der Action Directe/AD), gleichzeitig erschienen in telegraph # 118|119 (2009)
Wie kam es zu Ihrer Inhaftierung! Wie sahen die strafrechtliche Verfolgung und die mediale Kampagne gegen Sie aus?
JEAN-MARC ROUILLAN: Nathalie, Joëlle, Georges und ich waren im Februar 1987 die letzten Mitglieder der Action Directe die verhaftet wurden. Im Zusammenhang mit der polizeilichen Verfolgung, den Gerichtsprozessen und unseren speziellen Haftbedingungen haben sich neue staatliche Strukturen im „Kampf gegen den Terrorismus“ in Frankreich durchgesetzt. Wir befanden uns damals noch in der Zeit des zweiten Kalten Krieges und am Beginn der grundlegenden Veränderungen von 1989. Es ist sehr wichtig diesen politischen Kontext zu begreifen, um den staatlichen Eifer gegen uns zu verstehen.
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17. Juni 2009
von Tadeusz Kowalik, gleichzeitig erschienen in telegraph # 118|119 (2009)
Innere Bedingungen
Polen hat die politische Konjunktur des Umbruchs zwischen den Achtziger und Neunziger Jahren ganz gut genutzt. Das sowjetische Imperium neigte sich mit dem liberalen Michael Gorbatschow an der Spitze dem Niedergang zu. Dies eröffnete die Chance sich aus der Abhängigkeit zu befreien und das morsche System abzustreifen, das Polen zur fortwährenden Stagnation und politischen Konvulsionen verurteilte. Eine sehr gute Grundlage dafür bildete die Kultur von Verhandlungen und gesellschaftlichen Übereinkommen, die 1980/81 erprobt wurden. Das Übereinkommen des Runden Tisches vom Frühjahr 1989 bildete die Grundlage für Polens friedlichen Wechsel vom bürokratischen Sozialismus. Auf diese Weise wurden auch Grundlagen für friedliche Veränderungen in den anderen postkommunistischen Ländern [1] geschaffen.
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17. Juni 2009
Gespräch mit Karol Modzelewski
gleichzeitig erschienen in telegraph # 118|119 (2009)
Sie werden für einen der „geistigen Väter“ der Polnischen März-Unruhen im März 1968 gehalten. Die Veröffentlichung des Offenen Briefs an die Partei, den Sie gemeinsam mit Jacek Kuron verfassten, initiierte einen Ereigniszyklus, der seinen Höhepunkt in den Studentendemonstrationen fand. Was waren die Ziele der Studentenproteste im März 1968? Worin bestand die Verbindung dieser Bewegung zu den Forderungen des Offenen Briefs?
KAROL MODZELEWSKI: Es waren andere Ziele, die wir uns mit Jacek Kuron beim Verfassen des Offenen Briefes an die Partei stellten, als die, welche anschließend von der Studentenbewegung im Jahre 1968 gestellt wurden. Es triff zu, dass sowohl ich als auch Jacek Kuron zu Hauptangeklagten wurden, da die Staatsanwaltschaft uns diesen Vorwurf machte.
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17. Juni 2009
von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in telegraph # 118/119 (2009)
Alle reden von Krise. Doch der gegenwärtige Alltag scheint noch einmal zu bestätigen, was das Kapital seit jeher behauptet: Dieses System sei ohne Alternative, Krisen sollen lediglich die notwendige Erneuerung mit sich bringen. Eine Flurbereinigung? Auf den ersten Blick geht die Kapitalseite durch Rettungspakete und Milliarden-Hilfen des Staates bei gleichzeitiger Entlassung tausender Arbeiter aus der Krise gestärkt hervor. Doch warum erheben sich diese nicht? Die maßgeblichen gelben Gewerkschaften fordern lediglich das, was die Regierung selbst bereit ist vorzuschlagen. Das System wird nicht in Frage gestellt.
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15. Juni 2009
von Kamil Majchrzak
gleichzeitig erschienen in Prager Frühling # 04 Juni 2009
Durch die globale Krise ist Osteuropa in mehrfacher Hinsicht doppelt belastet. Verstärkte Exportprobleme, Wechselkursabwertungen, Kreditklemme und das Versickern von Kapitalzuflüssen werden vorwiegend durch Entlassungen bzw. Lohneinfrierung zu beheben versucht. Während große Gewerkschaften in Polen versagt haben Widerstand zu leisten geben kleinere kämpferische Gewerkschaften insbesondere prekär Beschäftigten neue Hoffnung.
In den vergangenen Jahren galt Polen als Musterschüler neoliberaler Ökonomie. Die Schocktherapie von Leszek Balcerowicz Anfang der 90er Jahre zerstörte die Reste zivilgesellschaftlichen und sozialen Engagements, das bereits zuvor in den 80er Jahren während des Kriegszustandes und der Illegalisierung der Gewerkschaft NSZZ Solidarność wirksam gebrochen wurde. Die universelle Eschatologie der (Markt) Freiheit wies schon während der Verhandlungen des Runden Tisches, die seit 1988 inoffiziell geführt wurden, einen Schönheitsfehler auf, der auf den grünen Dollar-Noten nicht mitgedruckt wurde. Denn mit dem „Ausbruch“ der Freiheit geriet auch die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften und der Arbeiterkämpfe in Frage.
Paradoxerweise ist Polen, das durch die Streiks vom Sommer 1980 den Grundstein für spätere System-Umwälzungen in Mittel-Ost-Europa legte heute das Land mit dem höchsten Mangel an politischer Repräsentation der Arbeiterklasse. Gewerkschaften können in Polen nicht einmal eine bruchhafte oder deformierte politische Vertretung ihrer Interessen im Parlament vorweisen. Was noch schlimmer wiegt ist die selbstverschuldete Unmündigkeit und Korrumpiertheit der postkommunistischen OPZZ und der konservativen Solidarność.
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04. Juni 2009
von Kamil Majchrzak
gleichzeitig erschienen in Ossietzky # 11 (2009)
Gelegentlich erlaubt sich der General einen kleinen Scherz. Bantz John Craddock, von 2004 bis 2006 Chef des US-Southern Command und weisungsberechtigt gegenüber US-Truppen in Guantánamo, darunter der berüchtigten Immidiate Reaction Force (IRF), sagte im Gespräch mit dem Time Magazine, die hungerstreikenden Gefangenen dort könnten sich die Farbe der großen Sonden, mit denen ihnen bei der Zwangsernährung eineinhalb Liter Nahrung durch die Nase in den Magen eingeführt werden, selber aussuchen. Und der Stuhl, an dem sie festgeschnallt würden, sei eigentlich sehr komfortabel. Nach Angaben des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin war es Craddock, der die Zwangsernährung anordnete. Gemeinsam mit dem New Yorker Center for Constitutional Rights (CCR) und der Fedération Internationale de Ligues des Droits de l’Homme (FIDH) in Paris hat das ECCHR eine Beschwerde wegen Folter und grausamer Behandlung von Gefangenen bei den Vereinten Nationen gegen Craddock eingereicht, der inzwischen zum Oberbefehlshaber der NATO aufgestiegen ist.
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02. März 2009
Z Mathieu Rigouste’em rozmawiają Emmanuelle Piriot i Kamil Majchrzak
Recykling Idei # 12 (2009)
Emmanuelle Piriot i Kamil Majchrzak: Obecnie termin „integracja” jest często stosowany, gdy mówi się o obcokrajowcach lub osobach innego pochodzenia. Kiedy się on pojawił?
Mathieu Rigouste: Termin ten został uformowany wraz z kolonizacją. Wówczas określał on jeszcze system prawny mający na celu nadanie kolonizowanym swoistego statutu i praw identycznych z tymi, jakie posiadają Francuzi. Mówiono zatem o „zastosowaniu integracji”. Jednak dyskusje parlamentarne zmierzały do stworzenia dwóch oddzielnych systemów prawa. Termin ten nie był później używany aż do końca lat siedemdziesiątych dwudziestego wieku. Pojawił się ponownie dopiero wówczas, gdy uświadomiono sobie, że postkolonialni imigranci, siła robocza pochodząca z dawnych kolonii, zamieszkują już Francję na stałe. Zdano sobie sprawę z faktu, że osoby te zostaną w kraju, a ich potomstwo jest Francuzami w wyniku zastosowania tak zwanego ius soli, czyli uzyskania obywatelstwa z racji urodzenia na terenie Francji. Wówczas termin ten powrócił na nowo. Tak jakby było konieczne ponowne wytyczenie granicy pomiędzy Francuzami. Pod koniec lat siedemdziesiątych, w debatach politycznych i w mediach opiniotwórczych zaczęto zadawać pytanie, kto jest prawdziwym Francuzem, a kto nie.
Kryzys ekonomiczny zaognił tę dyskusję poprzez wprowadzenie figury „imigranta, czyli bezrobotnego”. Stało się to równolegle z tak zwaną rewolucją irańską. Zaczęto wówczas zastanawiać się, czy muzułmanie mieszkający we Francji okażą lojalność wobec francuskiego rządu, czy też opowiedzą się za władzą islamską. Obawy te połączono z dyskursem o tożsamości i z dyskursem bezpieczeństwa, właśnie w momencie, w którym usiłowano przedefiniować pojęcie Republiki. Kto jest prawdziwym Francuzem? Kto zagraża integralności terytorium? Kto zagraża Republice?
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