Willkommen bei Krise-und-Kritik

01. Dezember 2012

Kri|se, die; -, -n [älter Crisis = →Krisis (2) < griech. krísis = Entscheidung, entscheidende Wendung; 1. schwierige Situation, Zeit die den Höhe- u. Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt

Kri|tik die; -, -en [frz. critique < griech. kritike (téchnē) = Kunst der Beurteilung, zu: kritikós, → kritisch]; 1. [fachmännisch, fachfrauisch] prüfende Beurteilung u. deren Äußerung in entsprechenden Worten: eine sachliche, konstruktive, harte K.

Antisemitismus in Breslau – Weltoffenheit als Mythos

18. Juni 2016

 

Deutschlandradio Kultur | Thementag Wrocław-Breslau | Na żywo  | Interview | Beitrag vom 17.06.2016

 

Kamil Majchrzak im Gespräch mit Korbinian Frenzel

 

Im vergangenen Jahr verbrannten Rechtsradikale in Breslau auf dem Rathausplatz eine Puppe, die wie ein orthodoxer Jude aussah. Der Publizist Kamil Majchrzak sieht darin keinen Einzelfall, sondern beklagt die steigende Gefahr von Antisemitismus in Polen.

Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit würden bisher in Polen verkannt, kritisiert der polnische Publizist Kamil Majchrzak, der Mitglied des Internationalen Komitee Buchenwald-Dora ist. Bei der rechtsradikalen Demonstration auf dem Breslauer Rathausplatz im November 2015 habe es sich nicht etwa um einen Einzelfall gehandelt, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagt Majchrzak im Deutschlandradio Kultur. „Die traurige Wahrheit ist auch, dass Polen das empirische Beispiel dafür ist, dass der Antisemitismus auch ohne die Juden funktioniert“, sagt er. „Es leben nur wenige Juden in Polen.“ Majchrzak betont, dass Breslau nicht nur eine deutsche Stadt gewesen sei, sondern auch eine jüdische Kultur gehabt habe.
Europäisches Problem

Bei der angeblichen Weltoffenheit von Breslau handele es sich aus der Sicht von Opfern rechter Gewalt und Leuten, die in der Erinnerungsarbeit engagiert seien, eher um einen Mythos als um Realität. Der Publizist sagt, die Leugnung des Antisemitismus sei für die aktuelle nationalistische Identitätsbildung in Polen konstitutiv. Es helfe auch nicht weiter, wenn die Breslauer Stadtverwaltung rechtsradikale Vorfälle eher als Problem der Imagepflege betrachte. „Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das ist auch ein europäisches Problem.“
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Der Geist des Neofaschismus

20. Januar 2016

Polen Wrocław ist zur Europäischen Kulturhauptstadt gekrönt worden. Der Angriff der Nationalisten auf eine herbeifabulierte „europäische Wertegemeinschaft“ wird dabei einfach ignoriert

zugleich erschienen im Freitag, vom 20.01.2016

Mit großem Tamtam wurde am Wochenende die Europäische Kulturhauptstadt 2016 in Wrocław, kurz ESK, eröffnet. Der eingeflogene ESK-Kurator Chris Baldwin choreographierte den Festumzug „Die Erwachung“, dem sich trotz eisiger Kälte zahlreiche Menschen anschlossen. Die Vier Geister der Stadtgeschichte (Geist der Flut, des Wiederaufbaus, der Vielen Religionen sowie der Innovation) verbanden sich in der Innenstadt, wo auf sie eine Militärblaskapelle wartete. Welches der zusammengeschweißten Rohre auf Rädern jeweils welchen Geist verkörperte, war selbst für Ortskundige nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Das Resümee der hermetischen Veranstaltung fällt auch unter lokalen Kulturschaffenden ernüchternd aus: banales Szenario, künstliches Finale, geflissentliche Vermeidung kontroverser Themen. Dabei war es der Geist des Aufbegehrens und der Kritik, der seit jeher die besondere kulturelle und politische Atmosphäre von Wrocław prägte. Dramaturgen wie Jerzy Grotowski und Schriftsteller wie Tadeusz Różewicz wirkten nicht zufällig in dieser Stadt.

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Unsere Kameradin und Freundin Hania Szelewicz ist tot

02. Januar 2016
Hania Szelewicz (*1925 - †2016) Foto: Andreas Domma (Berliner Photoart)

Hania Szelewicz (*1925 – †2016) Polnische Befreierin vom Faschimus, Foto: Andreas Domma (Berliner Photoart)

 

Die Polnische Soldatin, Sibirien-Deportierte und Befreierin vom Faschismus war mehrfach zu Gast bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)

Unser Blatt # 61 – Januar 2016, S. 8

 

Die Berliner VVN-BdA drückt ihre tiefe Trauer über den Tod von Hania Szelewicz, unserer Freundin und Kameradin, aus.

Hania Szelewicz wurde am 12. Februar 1925 in Wólka Sobieszynska bei Lublin geboren. 1940 wurde sie mit 15 Jahren, ohne ihre Eltern, vom NKWD nach Sibirien deportiert, wo ihre vierjährige Schwester an Entkräftung starb. In der Taiga bei Irkutsk arbeitete sie als Holzfällerin.

Im Frühjahr 1943 wurde sie mit ihrer älteren Schwester in die 1. Polnische Armee mobilisiert, die, nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der polnischen Exil-Regierung in London, in der UdSSR formiert wurde. Als Funkerin der 2. Polnischen Infanterie-Division „Jan Henryk Dąbrowski“ der 1. Polnsichen Armee kämpfte sie gemeinsam mit der Roten Armee für die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Majdanek, am Pommernwall und beim KZ Sachsenhausen. Das Kriegsende erlebte sie an der Elbe.

Seit 2012 war sie mehrmals Gast der Berliner VVN-BdA beim Tag des Sieges am 9. Mai im Treptower Park. Bei Zeitzeugengesprächen in der Berliner Robert-Jungk-Oberschule, bei Treffen mit deutschen Besucher-Gruppen der Gedenkstätte Auschwitz oder zuletzt beim Empfang durch die SPD-Fraktion im Charlottenburger Rathaus unterstrich sie die Notwendigkeit des Kampfes gegen den wiedererstarkenden Nationalismus und Neofaschismus.

Sie rief zur internationalen Zusammenarbeit für ein friedliches Europa auf und appellierte in einem Dokumentar-Film von Christian Carlsen und Philip Jansen an die Bewahrung demokratischer Werte, die durch den Sieg über den Hitlerfaschismus erkämpft wurden.

In Polen setzte sie sich seit Jahren gemeinsam mit Ada Żurawska für die Erhaltung der Erinnerung an die Frauen-Soldaten der 1. und 2. Polnischen Armee ein. Hania starb nach langer Krankheit am 2. Januar 2016 im Alter von 89 Jahren.

Eine Delegation der Berliner VVN-BdA nahm am 11. Januar 2016 an ihrer feierlichen Beisetzung auf dem Militärfriedhof Powązki in Warschau teil. Kamil Majchrzak ehrte sie dort in einer Gedenkrede.

Probleme polnischer Gedenkstätten in Treblinka, Sobibor, Bełżec

09. Oktober 2015
Philip Bialowitz in der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Besuch beim Tag der Mahnung 2013, Berliner VVN-BdA)

Philip Bialowitz, einer der wenigen Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Sobibor, erkennt auf den Bildern einer Ausstellung in der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz einen seiner Peiniger. (Foto: Christoph Löffler)

Erinnern, nicht vergessen – Probleme polnischer Gedenkstätten in Treblinka, Sobibor, Belzec

Auschwitz ist das Symbol nationalsozialistischer Vernichtungspolitik auf polnischem Boden. Viel weniger Aufmerksamkeit finden die Vernichtungslager im Osten Polens, in denen mindestens 1,7 Millionen Menschen ermordet, die Spuren aber noch zu Kriegszeiten von den Deutschen verwischt wurden. Welche Rolle spielt die Auseinandersetzung mit diesen Orten im deutsch-polnischen Dialog

Deutschland Radio Kultur | Das Kulturgespräch vom 09.10.2015

Am Mikrofon: Martin Sander

Die historische Bedeutung dieser Lager ist immens, das Besucherinteresse hoch. Doch die Gedenkanlagen sind in schlechtem Zustand – eine Finanzierung des Erhalts ist ungewiss. Wie sieht internationale Bildungsarbeit in diesen Gedenkstätten aus? Welche Rolle spielt die Bundesrepublik bei der Unterstützung der Gedenkstätten auf polnischem Boden?

Es diskutieren:

Katrin Stoll, Holocaustforscherin am Deutschen Historischen Institut Warschau

Krzysztof Ruchniewicz, Historiker und Leiter des Willy-Brandt-Zentrums der Universität Breslau

Kamil Majchrzak,  Mitglied der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Thomas Lutz, Leiter des Gedenkstättenreferats der Topographie des Terrors in Berlin 

70. Jahrestag der Befreiung von deutschem Faschismus – Polnische Befreierinnen und Befreier besuchen Berlin

29. April 2015

Programm_Besuch_Polnische_BefreierInnen_7-9.Mai.2015_2v2

Programm_Besuch_Polnische_BefreierInnen_7-9.Mai.2015_1v2

Flyer_KombattanInnen_Film_DEU_1v2 Flyer_KombattanInnen_Film_DEU_2v2

Flyer_KombattanInnen_Film_POL_1v2 Flyer_KombattanInnen_Film_DEU_2v2

 

Reaktionäre Reeducation

16. April 2015
Fot. Maciek Markowski/Na Poziomie/FORUM

Fot. Maciek Markowski/Na Poziomie/FORUM

Für Gott, Ehre und Vaterland: Polens Antifa betreibt nationale Heldenverehrung.

Von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in Konkret #4/2015

In den vergangenen 20 Jahren hat die Debatte um Antisemitismus und Ignoranz gegenüber der jüdischen Verfolgungsgeschichte innerhalb der deutschen Linken eine wichtige Rolle gespielt. Obwohl sie mit zum Teil kruden Argumenten geführt wurde, hat sie das fällige Überdenken der eigenen vermeintlich selbstverständlichen geschichtspolitischen Position sehr befördert. Welche Verheerungen dagegen im eigenen politischen Bewusstsein das Unterlassen einer solchen Reflexion anrichtet, zeigt das Beispiel der Antifa Polens.

Der Großteil der jüngeren polnischen Generation wurde in der Zeit des Siegeszugs der Totalitarismusdoktrin politisiert, die als Staatsideologie vorgibt, Geschichtliches zu beschreiben. Seit 1989 dient sie in Polen zur Rechtfertigung der gegenwärtigen Verhältnisse und Verschleierung der Verstrickung der polnischen Gesellschaft in den Völkermord an den europäischen Juden. Die zur gleichen Zeit auflebende Heldenverehrung des sogenannten Untergrunds vernebelt die Kontinuität antisemitischer Zustände. Dabei wäre eine starke antifaschistische Kraft angesichts der Hegemonie der extremen Rechten in Osteuropa notwendiger denn je.

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Antifa fürs Vaterland. Zum Jahrestag der Reichspogromnacht leisteten Warschauer Antifaschist_innen einen Treueeid auf den Konsens nationaler Identität

18. Dezember 2014
Fot. Maciek Markowski/Na Poziomie/FORUM

»Bóg, Honor, Ojczyzna« – polnische Antifaschist_innen posieren zum Jahrestag der Reichspogromnacht vor dem Denkmal mit der Inschrift »Gott, Ehre, Vaterland«. Fot. Maciek Markowski/Na Poziomie/FORUM

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in Analyse und Kritik # 600 vom 16.12.2014

 

Anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht rief die Warschauer Antifa am 8. November 2014 zu einer Demonstration unter dem Motto »Gemeinsam gegen Nationalismus« auf. Trotz einiger verbaler Bezüge zu dem Jahrestag pilgerten die Veranstalter_innen ausgerechnet zum Denkmal der Armia Krajowa (AK) und des Polnischen Untergrundstaates.

Deren Verhältnis zum Antisemitismus und ihre aktive Teilnahme an der Verfolgung von Jüdinnen und Juden während des Krieges wurden nach wie vor nicht aufgearbeitet. Am Denkmal wurden Blumen niedergelegt und Kerzen für »unsere Helden« angezündet, wie ein Veranstalter der Antyfaszystowska Warszawa erklärte. Die Soziologin Anna Zawadzka kommentierte dies als Kapitulation vor der herrschenden polnischen Geschichtspolitik: »Gegenwärtig werden die Ideologien, welche die Grundlage des polnischen Nationalismus und Faschismus bilden – Militarismus, Patriotismus und Antikommunismus – unreflektiert durch den polnischen ›Antifaschismus‹ vervielfältigt.«

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Europawahlen: Polen

01. April 2014

Für die kommenden Europawahlen wird in Polen die neofaschistische „Ruch Narodowy“ antreten. Sie holte die Erlaubnis zur Teilnahme an den EP-Wahlen in einem Mitglieder-Referendum ein.

von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in „der rechte rand – magazin von und für antifaschistInnen“ (März/April 2014).  S. 21

Hochgespült auf der Welle der sogenannten Unabhängigkeitsmärsche vom 11. November hat die »Ruch Narodowy« (»Nationale Bewegung«, RN) seit ihrer Gründung am 11. November 2012 innerhalb weniger Monate die politische Rechte in Polen ins Wanken gebracht. Die RN besteht aus einem Zusammenschluss mehrerer nach 1989 wiedergegründeter faschistischer Organisationen.

Diese bezogen sich auf die gleichnamigen Vorläufer »Młodzież Wszechpolska« (»Allpolnische Jugend«, MW) und »Obóz Narodowo-Radykalny« (»Nationalradikales Lager«, ONR), die bereits in den 1930erJahren im Schatten des »Obóz Wielkiej Polski« (»Block Groß-Polen«, OWP) von Roman Dmowski agierten. Unterstützung bei der Gründung fand die RN auch beim Verband ehemaliger NSZ-Veteranen (»Narodowe Siły Zbrojne«, »Nationale Streitkräfte«). Der Verband der profaschistischen NSZ-Kämpfer wurde allerdings bereits 2009 vom damaligen MW- und heutigen RN-Kader Andrzej Zawisza übernommen, der unter fragwürdigen Umständen deren Vorsitzender wurde. Die RN ist in Polen der letzten 20 Jahre eine der bedeutendsten faschistischen Neugründungen.

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Ohne uns – Die Bundesregierung lehnt eine finanzielle Beteiligung an der Gedenkstatte fiir das ehemalige Vernichtungslager Sobibor ab

01. November 2013

von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in Konkret # 11/2013, S. 35

Es waren »außergewöhnliche Umstande«, auf die sich Philip Bialowitz bezog, als er seinen Besuch bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in Berlin dazu nutzte, Bundestagspräsident Lammert (CDU) einen Brief zu überreichen, in dem er um »Unterstützung für das Projekt der neuen Gedenkstätte im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Sobibor« bittet. Der aus dem ost-polnischen Schtetl Izbica stammende Bialowitz ist einer der letzten Überlebenden des Vernichtungslagers; er war aktiv an den Aufstandsvorbereitungen beteiligt, die zur Selbstbefreiung zahlreicher jüdischer Haftlinge am 14. Oktober 1943 führten. Nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto im April 1943 ist der Aufstand in Sobibor eine der größten und erfolgreichsten bewaffneten Erhebungen der Juden gegen die Nazis und ihre Vernichtungspolitik gewesen.

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Das militärische Engagement in Somalia ist gescheitert

01. November 2013

Aus Sicht der westlichen Interventionsstaaten war die Brüsseler Somalia-Konferenz „New Deal for Fragile States“ ein „historischer Tag für Somalia“. Für die von Hunger und Gewalt geplagten Menschen vor Ort war sie die Wiederholung bürokratischen Fanfaren, gefüllt mit der heißen Luft sicherheitspolitsicher Demagogie.


von Kamil Majchrzak, gleichzeitig erschienen in Graswurzelrevolution # 383 (November 2013)

Bereits im September 2012 läuteten diese Fanfaren. Ein Meilenstein sei erreicht worden als in Mogadischu nach 20 Jahren Bürgerkrieg eine neue Bundesregierung berufen wurde und die 12 Jahre andauernde Übergangsperiode ablöste.

Der Britische Premierminister zog so­gar Parallelen zum Arabischen Frühling. Die jüngste EU-Konferenz macht allerdings vielmehr deutlich, dass sich die westlichen Akteure mit der Frag­mentierung und Zerspaltung Somalias abgefunden haben.

Das militärische Engagement sowohl der Europäischen Union als auch der Afrikanischen Union (AU) ist gescheitert.

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