Archiv für Februar 2009

Die Verwendung der Geschichte spielt sich vor dem Hintergrund endloser Gegenwart ab

Dienstag, 17. Februar 2009

von Kamil Majchrzak und Emmanuelle Piriot, gleichzeitig erschienen in telegraph # 118/119 (2009)

Gespräch mit dem französischen Philosophen François Cusset.

Während der letzten Präsidentschaftswahlen in Frankreich konnte man feststellen, dass in Medien und Politik die Ökonomie nie ein Objekt der Kritik darstellt, obwohl sie für soziale Probleme verantwortlich gemacht wird. Wie erklären Sie dieses Paradox?

FRANÇOIS CUSSET: Die Wirtschaft ist in den Wahlkampfdebatten omnipräsent, jedoch fehlt es an jeglicher Wirtschaftskritik. Die Ökonomie ist selbst nicht mehr Gegenstand der Diskussionen, da über sie ein natürlicher Konsens zu herrschen scheint. Dieser Konsens beruht auf einem seit 25 Jahren währenden fatalistischen, als liberal bezeichneten, Diskurs. Jedoch stellt sich das Ganze aus meiner Sicht etwas komplizierter dar. Die Logik der Ökonomie wurde in eine natürliche, fast biologische Logik überführt: die Logik der Globalisierung. Und es scheint, als ob man nichts gegen diese Entwicklung unternehmen könnte. Selbst Globalisierungsgegner wollen daran nur partiell etwas ändern. Sie hoffen auf ein wenig Barmherzigkeit und eine Tobin-Steuer von 0,1 Prozent.

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„Die Republik wird über ihre Feinde definiert“

Dienstag, 17. Februar 2009

von Kamil Majchrzak und Emmanuelle Piriot, gleichzeitig erschienen in telegraph # 118/119 (2009)

Gespräch mit dem Sozialwissenschaftler Mathieu Rigouste, Wissenschaftler am Institut Maghreb Europe der Universität Paris

Aus den öffentlichen Debatten über AusländerInnen oder MigrantInnen scheint der Begriff der „Integration“ nicht mehr wegzudenken. Weiche Entstehungsgeschichte hat der Begriff in Frankreich?

MATHIEU RIGOUSTE: Dieser entstand ursprünglich in der Kolonialzeit. Damals bezeichnete er ein juristisches System. welches den Kolonisierten einen Status und die gleichen Rechte wie die der Franzosen geben sollte. Die parlamentarischen Debatten führten aber zu zwei voneinander getrennten Rechtssystemen.

Erneut tauchte der Begriff Ende der 1970er wieder auf, als klar wurde, dass die Arbeitskräfte aus den ehemaligen Kolonien sich dauerhaft in Frankreich niederlassen werden und ihre Kinder nach dem Geburtsortsprinzip (ius soli) französische Staatsbürger werden. Da kommt der Begriff wieder ins Spiel, so als wäre es notwendig, eine Grenze zwischen den Franzosen zu errichten.

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